Kryptopyrrolurie (KPU) erkennen und behandeln
von: Gabriela Hoppe
| 6. Mai 2016

Kryptopyrollurie, abgekürzt KPU (auch: Hämopyrrollaktamurie (HPU)) – ein schwieriges Wort für eine kleine Stoffwechselentgleisung, die weitreichende Folgen für die Betroffenen haben kann. Viele Betroffene werden als Hypochonder oder Simulanten belächelt.
Das liegt zum einen daran, dass KPU relativ unspezifische „Allerweltssymptome“ verursachen kann.
Zum anderen ist die Existenz dieser Stoffwechselstörung sowohl bei Ärzten als auch bei Heilpraktikerin häufig unbekannt und/oder wird sogar belächelt. Für mich anhand der bestehenden Diagnosemöglichkeiten im Übrigen unfassbar.

KPUEs gibt übrigens Vermutungen, dass ca. 10% aller Erwachsenen von KPU betroffen sind. Zu Kindern habe ich keine entsprechenden Zahlen gefunden – in meiner Praxis habe ich jedoch bereits mehrere Patienten (darunter Erwachsene und Kinder) mit dieser Stoffwechselstörung erfolgreich behandeln können.
Für mich stehen hier insbesondere diejenigen Kinder im Blickpunkt, die ohne erkennbare organische Ursache entweder mit Aufmerksamkeitsstörungen (AD(H)S) und/oder mit unklaren Oberbauchbeschwerden und Unverträglichkeiten in die Praxis kommen, sehr unter ihren Symptomen leiden, jedoch bisher keine hilfreiche Diagnose erhalten konnten.

Die gute Nachricht darum vorab: Frühzeitig erkannt und richtig behandelt, ist KPU relativ leicht in den Griff zu bekommen und viele unspezifische Symptome und deren Auswirkungen auf körperlicher und auch seelischer Ebene können eingedämmt werden.

Was hat es nun mit KPU auf sich?

Ich versuche im Folgenden, KPU und ihre Auswirkungen in wenigen Worten zu erklären, ohne eine wissenschaftliche Abhandlung daraus zu machen – wer Details wissen möchte und/oder sich in der Beschreibung wiederfindet und eine KPU-Diagnostik anstrebt, kontaktiert mich gerne…

KPU ist eine Stoffwechselstörung des Häm-Stoffwechsels. Häm ist der rote Blutfarbstoff. Pyrrole als Bausteine des Häms werden normalerweise über den Stuhl ausgeschieden. Bei einer entsprechenden Stoffwechselstörung fallen vermehrt Pyrrole im Organismus an, so dass sie zusätzlich über den Urin ausgeschieden werden.
Da dieser Ausscheidungsweg nur über eine Bindung an Vitamin B6 und Zink erfolgt, gehen diese Stoffe dem Organismus auch vermehrt verloren.

KPU-Patienten haben also – und das insbesondere in Stresssituationen – mit einer erhöhten Ausscheidung von Vitalstoffen zu kämpfen. Das bedeutet, diese Menschen scheiden zuviel dieser Stoffe aus, was zu einer Mangelsituation im Körper führen kann. Kombinierter B6- und Zinkmangel ist also eine typische KPU-Situation. Auch Mangan ist übrigens häufig betroffen.

Da diese Stoffe an einer Vielzahl von Stoffwechselprozessen und Funktionskreisen im Körper beteiligt sind, sind die Symptomatiken vielfältig – eine entsprechende Differenzialdiagnostik (also eine Abgrenzung zu anderen möglichen Krankheitsauslösern) ist natürlich notwendig.

Zink beispielsweise ist am Aufbau von über 200 Hormonen und Enzymen beteiligt!
Es hemmt und beschleunigt Stoffwechselprozesse, wird für Zellteilung und -wachstum benötigt, fungiert als Antioxidans und schützt so unsere Zellen, und nicht zuletzt ist es ein zentraler Bestandteil unseres Immunsystems!
Zinkmangel entdecken wir häufig an Flecken auf den Fingernägeln, erhöhter Infekthäufigkeit, struppigen Haaren, Haarausfall, nicht heilenden Wunden bzw. Hauterscheinungen, rissigen Lippen und Mundwinkeln, Gelenkschmerzen.
Interessant finde ich übrigens den Zusammenhang zwischen Zink und Legasthenie: Liegt in der Schwangerschaft ein Zinkmangel vor, können Leitungsbahnstörungen zwischen Auge und Hirnrinde folgen (bei Jungen übrigens häufiger als bei Mädchen, da zur Bildung von Testosteron zusätzlich Zink benötigt wird), was zu Legasthenie führen kann. Hier kann eine entsprechende Substitution oftmals Wunder wirken.

Vitamin B6 wirkt als Co-Enzym an mehr als 100 Stoffwechselvorgängen im Körper mit. Damit das über die Nahrung aufgenommene B6 in die stoffwechselaktive Form überführt werden kann, wird u.a. Zink benötigt – trotz ausreichendem B6-Spiegel können also trotzdem Mangelerscheinungen vorliegen. B-Vitamine sind ansonsten stark im Bereich der Reizweiterleitung aktiv, wobei B6 insbesondere mit dem Kurzzeitgedächtnis in Zusammenhang gebracht wird.
B6-Mangel können wir u.a. möglicherweise erkennen an Morgenübelkeit, extremem Schwangerschaftserbrechen, erhöhter Stressanfälligkeit, Nervosität, innerer Unruhe, schlechtem Kurzzeitgedächtnis, Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen, Hautsymptomen oder auch bestimmten Formen von Anämien.
Interessant in diesem Zusammenhang kann übrigens eine Symptomatik sein, die durch Schädigung der Myelinscheiden im Nervensystem einer Multiplen Sklerose (MS) zum Verwechseln ähnlich ist, anders als diese jedoch über eine entsprechende Substitution ausgeheilt werden kann!

Typische Krankheitsbilder, die mit KPU verbunden sind

  • Erschöpfung / Burnout
  • Depressionen / Angststörungen
  • Schlafstörungen
  • Fibromyalgie / Weichteilrheuma
  • Schmerzen im Bewegungsapparat / Rheuma / Arthritis
  • Nahrungsmittelintoleranzen / Reizmagen / Reizdarm
  • AD(H)S / Hyperaktivität / Konzentrationsstörungen
  • Schilddrüsenfehlfunktionen
  • Schizophrenie

Langfristige Mangelfolgen sind dann deutlich komplexer, da die erwähnten Stoffe natürlich auch in Wechselwirkung mit anderen Vitalstoffen treten. Diskutiert werden u.a. Störungen des Eiweißstoffwechsels, Histaminintoleranzen, Mängel an weiteren Nährstoffen, eingeschränkte Entgiftungsfähigkeit des Körpers.

Hierbei ist zu beachten, dass die Symptomatik sich häufig schleichend und zunächst unbemerkt entwickelt. Je nach Ausmaß der entstandenen Mangelerscheinungen variiert dann natürlich auch das Ausmaß der Problematik.
Und hier noch einmal der Hinweis: Natürlich können auch eine Vielzahl anderer Ursachen für die genannten Krankheitsbilder (mit) verursachend sein – sollte jedoch eine KPU vorhanden sein, bietet diese hervorragende therapeutische Ansatzpunkte.

Eine Beratung bei einem KPU-erfahrenen Therapeuten ist bei entsprechender Vermutung auf jeden Fall anzuraten.

Wie kann KPU nun diagnostiziert werden?

Badzun stellt Pfeiffers Leitsymptome bei kombiniertem Zink- und B6-Mangel vor, anhand derer man eine erste Vermutung äußern kann. Leiden Sie unter folgenden Symptomen, sollten Sie eine weitere Diagnostik in Erwägung ziehen:

  • eiweißhaltige Nahrung wird schlecht vertragen
  • starker Geruch von Atem und Körper
  • Morgenübelkeit
  • Verstopfung
  • fehlende Traumerinnerung
  • engstehende Vorderzähne im Oberkiefer
  • weiße Flecken auf den Fingernägeln
  • blasse, sonnenempfindliche Haut
  • unklare Oberbauchschmerzen
  • erhöhte Infektneigung
  • „Schwangerschaftsstreifen“
  • unregelmäßige Menstruation
  • Impotenz
  • erhöhte Stressanfälligkeit / Verstärkung von Symptomen durch Stress
  • Familie mit nur Töchtern, und alle Töchter sehen sich sehr ähnlich

Zunächst wird in der Praxis bei bestehendem KPU-Verdacht eine Urindiagnostik bei einem Speziallabor durchgeführt. Nur wenige Labors haben sich bisher mit KPU auseinandergesetzt – gerne berate ich hier und leite eine entsprechende Diagnostik in die Wege. Über den Urin lässt sich feststellen, inwieweit Pyrrole im Übermaß ausgeschieden werden.

Ist die Diagnose darüber erhärtet, folgen in meiner Praxis Blutuntersuchungen, die entsprechende Mängel bestätigen und quantifizieren. Ich lege hier Wert darauf, insbesondere auch typische Begleitsymptome und -mängel (z.B. Schilddrüsenbeteiligung, Eisenhaushalt)  mit zu untersuchen, um die Therapie entsprechend individuell gestalten zu können und Folgeerkrankungen frühzeitig vorzubeugen.

Die Grundtherapie besteht zunächst in einer Substitution der im Übermaß ausgeschiedenen Vitalstoffe. Diese ist wie gesagt höchstindividuell gestaltet und durch regelmäßige Kontrollen begleitet. Im Regelfall treten in meiner Praxis abhängig von der gezeigten Symptomatik weitere Therapieansätze hinzu. Je nach Fall können z.B. ausleitende Therapien oder Reiz-Reaktionstherapien sinnvoll sein.

Ich freue mich übrigens, wenn dieser Beitrag Verbreitung findet, da ich der Meinung bin, dass KPU viel häufiger auftritt als wir Therapeuten es vermuten und Leidenswege von Patienten oftmals deutlich verkürzt werden könnten…
Weitersagen ist also wie immer erlaubt und erwünscht! 🙂

 

Quellen & Speziallabors:
Badzun, M.: „Kryptopyrrolurie“; https://badzun.de/download/kpu-vortrag.pd
Pfeiffer, C. C.: „Nährstoff-Therapie bei psychischen Erkrankungen“, Karl Haug Verlag, 4. Aufl. 1993.
biovis‘ Diagnostik: www.biovis.de
Orthomedis Speziallabor